Isolation - ein Erfahrungsbericht


Fünf Wochen habe ich erlebt, was es heißt, alleine zu sein, wirklich alleine. Menschen habe ich nur gesehen, wenn ich einkaufen gegangen bin oder laufen war. Die Spaziergangverabredungen kann ich an einer Hand abzählen, da ich durch meine ständigen Reisen und Wochenendtripps hier in Hamburg nicht viele Freunde habe, Verwandte schon gar nicht; die sind alle sehr weit weg in Mittel- und Süddeutschland. Covid19 ist der Grund, warum unser Leben von heute auf morgen auf „den Kopf gestellt“ wurde und wir gezwungen waren/sind unsere Kontakte zu anderen Menschen so weit wie möglich einzustellen. 

Die meiste Zeit in den 5 Wochen, in denen ich mich strikt an die Kontaktbeschränkungen gehalten und mich selbst isoliert habe, habe ich in meiner Wohnung alleine auf der Couch, vor dem Computer, am Schreibtisch, in der Küche, im Bett und im Badezimmer verbracht. Nur zum Sport treiben bin ich ab und zu eine Stunde am Tag nach draußen gegangen. Ich habe gelesen, gemalt, gebastelt, gekocht, meditiert, viel geputzt, tausend Homeworkouts gemacht, aufgeräumt, mich bei alten Freunden wieder gemeldet, versucht Spagat zu lernen, Challenges jeglicher Art gemacht, Armbänder geknüpft, Podcasts gehört, Nachrichten ständig verfolgt, Serien und Filme geguckt, usw.; der Ideenreichtum war groß am Anfang; das Einkaufen ein Highlight.

Der Mensch ist es gewohnt mit anderen Menschen in Kontakt zu sein. Er braucht den Kontakt um zu überleben und nicht verrückt zu werden. Wir sind nicht dafür gemacht immer alleine zu sein. Unser Geist macht das nicht mit; zu viel Zeit in der die Gedanken so unglaublich laut werden und man nicht mehr mit ihnen zurecht kommt. Schlafmangel, Stimmungsschwankungen, Depressionen und vieles mehr sind die Folgen.

Nach 5 Wochen hatte ich die Wahl: entweder ich werde verrückt oder ich fahre zu meiner Familie, trotz der Bitte der Regierung Besuche bei Verwandten möglichst zu unterlassen. Man kann das nicht genau in Worte fassen, was so schlimm daran ist lange Zeit alleine zu sein. Es war wohl auch die Kombination dessen, dass zusätzlich die ganze Situation so ungewiss und erschreckend war/ist. Dabei gab es zu Beginn eine Zeit, in der ich das ganze genossen habe, natürlich. Die Stille und Ruhe hier in der Großstadt war super angenehm. Irgendwann hat man aber mit Ängsten zu kämpfen und niemanden, der einen diese nimmt.

Die vier Tage bei meiner Familie haben sehr gut getan und ich konnte wieder Energie tanken. Die Zugfahrt dorthin quer durch Deutschland, wohl die ungefährlichste Reisemöglichkeit überhaupt in diesen Tagen. Angst sich bei irgendwem anzustecken oder jemand anderes anzustecken, brauchte ich nicht zu haben. Ich hatte einen ganzen ICE-Wagen für mich alleine und befand mich lange genug in der Isolation. Der Besuch daher von meiner Seite aus ungefährlich und gleichzeitig absolut notwendig.
Mein geliebter Neffe und ich

Übernächste Woche geht es wieder zu meiner Familie und ich hoffe einfach, dass es ab jetzt nur noch „bergauf“ geht und sich eine neue Normalität einstellt, die für alle wieder ganz viel Freude und Austausch mit anderen Menschen bedeutet. Besonders aber hoffe ich, dass alte Menschen wieder Besuch bekommen können und alle Kinder wieder in die Schulen und Kitas dürfen. Wenn mich diese Wochen eines gelehrt haben, dann, dass wir mehr denn je auf uns und unsere Mitmenschen achten müssen und gegenseitige Hilfe, Nächstenliebe und Zusammenhalt noch wichtiger werden als sie sowieso schon sind. Wir blicken in eine ungewisse Zeit und keiner sollte in dieser einsam und alleine sein. 

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